Hierarchie, Autorität und die Frage ob wir Feministinnen seien.
Des Öfteren wurde ich nun mit der Frage konfrontiert, ob ich denn Feministin sei. Ich sei feministisch angehaucht und meine Arbeit wäre kritisch zu betrachten. Vielleicht kann ich diese Charade nun ein wenig aufklären.
Feminismus bedeutete historisch immer wieder etwas anderes. Es gibt keine allgemein gültige Definition. Auch gegenwärtig verbirgt sich hinter Feminismus keine einheitliche Bewegung oder Weltanschauung, vielmehr gibt es viele verschiedene Feminismen an vielen verschiedenen Orten dieser Welt. Im Zentrum steht die Forderung nach politischer und sozialer Gleich- Berechtigung der Frauen in allen Lebensbereichen (Gleichstellung von Mann und Frau).
Die islamische Gesellschaftsform fordert allerdings ein spezifisches Verhältnis zwischen den Geschlechtern. Eine Art hierarchisches System das nicht nur in der Partnerschaft auftritt, sondern sich durch die gesamte Gesellschaft durchzieht. Allah swt hat den Männern Autorität gegeben und sie sind verantwortlich diese Autorität mit Kompetenzen zu bedienen. Welche das sein können, besprechen wir gleich.
„Die Männer stehen den Frauen in Verantwortung vor, weil Gott die einen vor den anderen ausgezeichnet hat und weil sie von ihrem Vermögen hingeben.“(4:34)
Die islamische Sicht auf die Rollenverteilung zwischen Männern und Frauen ist Geschlechterkonservativ. Männer sind in dieser Position damit sie die Umstände in denen sich die Menschen (Frauen wie auch Männer) befinden, regulieren können. Im Idealfall nutzt ein Mann in dieser Position seine Autorität (Verantwortung und Kompetenz) um gutes damit zu verrichten. Und er darf durch diese ihm gegebene Autorität Entscheidungen treffen, die das Leben seiner Mitmenschen beeinflusst.
„Und zu seinen Zeichen gehört es, dass er für euch von euch selber Partnerwesen erschuf, auf dass ihr bei ihnen Ruhe findet, und er hat zwischen euch Liebe und Barmherzigkeit gesetzt: hierin sind wahrlich Botschaften für nachdenkende Leute.“(30:21)
Hierbei müssen gewisse Punkte unterschieden werden. Autorität ist etwas, dass sich durch Kompetenzen wie Verantwortungsbewusstsein, Ehrlichkeit, Loyalität, Barmherzigkeit, Zielstrebigkeit und Standhaftigkeit auszeichnen muss.
Der Mann schützt und verwaltet nicht nur, sondern zeigt Empathie, Nächstenliebe und Gottesfurcht. Fehlen diese Aspekte gänzlich, kann die Autorität sich leicht zu Macht und dadurch zu Tyrannei entwickeln. Es entsteht ein verzerrtes Bild und das zurecht.
Die Problematik mit hierarchischen Systemen liegt darin, dass sie den tyrannischen Aspekt mit sich tragen. Nun könnte man wie im Feminismus, sagen: `lasst uns die Hierarchien beseitigen`. Männer und Frauen sind gleichgestellt und Autoritäten fallen weg. Ist das Möglich ? Nein, absolut nicht ! Denn ohne Hierarchien wird die Sicht auf Dinge eingeschränkt. Jeder wäre damit beschäftigt sich mit allem zu beschäftigen. Der Mensch ist jedoch so konzipiert, dass er sich nur mit dem beschäftigt oder nur das sieht was er sehen möchte. Dies führt automatisch zu einer Bevorzugungshierarchie oder Wertigkeitshierarchie.
Man stellt also schnell fest, dass es ein System mit Verantwortungspositionen geben muss, die durch Kompetenz und Verantwortung ausgezeichnet wird. Die Alternative wäre, dass sich jeder um alles kümmern müsste oder die Sichtweise subjektiv und individuell aufgeteilt wird, unabhängig von Kompetenzen. Das geht aber auch nicht. Wir Menschen werden nun mal als Frauen und Männer geboren und sind unterschiedlicher Natur.
Das bedeutet aber nicht, dass Hierarchien universell gut sind. Denn das sind sie nicht. Sie können durch Macht verzerrt werden. Doch nur weil sie durch Macht verzerrt werden können, bedeutet es nicht, dass dies die Essenz von Hierarchie darstellt, oder?
Gehen wir hier nochmal zurück.
Die eigentliche Essenz von einer Hierarchie ist Autorität, die mit Kompetenz und Verantwortung einhergeht. Richtig? Doch wenn du diese Beiden nicht unterscheiden kannst, dann sieht es für dich immer aus wie Macht und Tyrannei.
So sehen es moderne Feministen. Sie betrachten jede Form von gesellschaftlicher Autorität, die von Männern geführt wird, als potentiell tyrannische Machtapparate. Das tyrannische Patriarchat, wenn man so will.
Und dies stellt diese Thematik vor ein großes Problem. Es steht außer Frage, dass es Männer gibt die ihre Autorität nicht mit Kompetenzen wie Verantwortung, Barmherzigkeit, Liebe, Zuneigung, Geduld, Weitsichtigkeit, Frömmigkeit, Vertrauen und Furcht vor Allah swt auszeichnen, obwohl sie es müssten. Und das muss thematisiert werden. Bedeutet dies aber, dass ich dadurch das gesamte System in Frage stelle? Nein! Absolut nicht.
Die Fehlbarkeit des Menschen ist kein Beweis für das Scheitern des Systems.
Denn das System ist von Allah swt erschaffen und es ist das Beste. Wir müssen jedoch an der Fehlbarkeit des Menschen arbeiten und es thematisieren, bevor Feministen dies tun und muslimische Frauen davon überzeugen, dass das gesamte System nicht richtig sein kann.
Wir muslimische Frauen im Westen, leben ein sehr privilegiertes Leben. Es steht uns allen frei zur Schule zu gehen, zu studieren, zu arbeiten oder Kinder zu bekommen und zuhause zu bleiben. Diese Privilegien genießen nicht alle Frauen auf dieser Welt. In den meisten muslimischen Ländern sind Frauen gezwungen Kinder zu gebären, den Haushalt zu managen, die Schwiegereltern zu versorgen und gleichzeitig arbeiten zu gehen. Dazu kommen noch Armut, Gewalt, Krieg und Hoffnungslosigkeit. Beispielsweise wurde meine eigene Großmutter in Afghanistan mit einem 40 jähre älteren Mann verheiratet, hat ihm 5 Kinder geboren, hat den Haushalt gemacht, draußen gearbeitet, sich um ihre Bildung und das ihrer Kinder gekümmert und Geld verdient. War sie damals schon insgeheim eine Feministin ? Schwachsinn !
In Anbetracht dieser Tatsache ist es schon fast unverschämt, wie wir uns z.Zt. verhalten. Wir sind so sehr damit beschäftigt unsere Rechte von NichtMuslimen einzufordern, dass wir vergessen woher wir eigentlich kommen und was unsere Aufgaben sind.
Auf der einen Seite gibt es die Neoliberalen muslimischen Frauen, die Tag ein Tag aus nichts anderes zu tun haben als über Rassismen, Feminismus, GenderStudies und Selbstdarstellung zu berichten und auf der anderen Seite haben wir die Spielplatzbesetzer, die sich jeden Tag darüber besprechen wie schlecht diese Welt doch geworden ist und sie in ihren Häusern, das beste Leben führen dürfen. Dabei vergessen beide Parteien, dass das Engagieren, Lernen, Studieren und Aneignen von Wissen sowohl im islamischen Sinne als auch im weltlichen Sinne wichtig ist. Warum ? Damit das System von Autorität und Kompetenzen überhaupt funktionieren kann.
Das eine muss das andere stützen und sollte im besten Fall einander helfen. Die größten Namen der modernen islamischen Geschichte sind Persönlichkeiten, die sich durch Eifer und Engagement in vielen Bereichen ausgezeichnet haben. Zuhause sitzen, meckern und gelegentlich ein paar bunte Bilder bei Socialmedia posten ändert weder etwas an einem selbst noch wird es einen gewichtigen Beitrag für die Gesellschaft und Gemeinschaft der Muslime leisten. Es ist an uns Frauen und Männern, die privilegiert im Westen sitzen, tatkräftig an dem Zustand der muslimischen Gesellschaften der Welt zu arbeiten und Verbesserung einzubringen. Jeder leistet seinen Beitrag. Und jede Arbeit muss Anerkennung finden.
Über uns hageln weder Bomben, noch müssen wir den Hungertod unserer Kinder betrachten oder Angst haben, dass wir Zwangsverheiratet werden, sobald wir die Volljährigkeit erreicht haben. Dass uns irgendein Gericht, das Kopftuchtragen bei der Arbeit verbieten lassen möchte, klingt dagegen schon fast lächerlich. Wir werden hier mit Problemen konfrontiert, damit wir uns nicht mit den eigentlichen Problemen beschäftigen. Augenwischerei nennt man das.
Versteht mich nicht falsch! Es ist wichtig, dass man immer für sich und seine Überzeugungen eintritt, aber lasst uns nicht vergessen in welcher Relation diese Realitäten zueinander stehen.
Muslimische Frauen sind so korrumpiert und verwirrt, dass sie glauben, wenn eine Frau selbstbewusst und engagiert lebt und handelt, sie sich zwangsläufig dem feministischen System untergeordnet haben muss, weil der Islam ihnen in der moderne keine praktischen Beispiele dafür liefern würde. Das stimmt jedoch nicht. Muslimische Frauen brauchen keinen Feminismus um frei und selbstbestimmt denken, fühlen und sprechen zu können. Wir sind durch den Islam und den Geboten Allahs befreit worden. Wir haben aber nie gelernt damit umzugehen. Weder die Männer können sich dieser Herausforderung angemessen annehmen, noch können die Frauen sich darüber erheben. Autorität und Kompetenzen sind die wichtigsten Argumente dagegen.
Woran könnte dies liegen? Ich vermute, dass der Mangel an islamischen Verständnissen und weltlichem Wissen, die Unkenntnis über die eigenen Pflichten und der Mangel an Verantwortung etwas damit zu tun haben könnten. Aber das sind nur meine Vermutungen.
Seid stark, engagiert, gewidmet, standhaft, wissbegierig und werdet nicht müde für das einzustehen woran ihr glaubt und lasst euch nicht vom Weg abbringen ! Das ist unsere Sunnah und die der Frauen die uns vorgeeilt sind. Die Muslima braucht kein feministisches System um sich frei und glaubwürdig zu fühlen.
Ist das nun Feminismus für euch? Aufmerksam machen, fordern, engagieren und appellieren?
Ich hoffe ich konnte euch heute einige wichtige Standpunkte erläutern und darlegen. Und an alle, die keine Lust hatten meinen Text zu lesen -
Nein, ich bin keine Feministin.
Wasalam
Eure FE-M